BANGKOK: Acht Uhr morgens in der Hauptstadt, Tag zwei des Kriegsrechts. Auf dem Bahnsteig der Hochbahn-Station Thong Lor drängeln sich wie jeden Morgen Dutzende Menschen. Einer liest die «Bangkok Post» mit der Balkenschlagzeile: «Armee reißt Kontrolle an sich».

Der Zug hält, kräftig Drängeln ist angesagt, dann passen doch noch ein paar Passagiere rein. Trotz Sardinenbüchsenenge schaffen die meisten Passagiere es, auf den Handydisplays rumzutippen. Facebook und Spiele sind populär. Es ist wie immer.

Kriegsrecht? Davon ist nichts zu spüren. Zwar kritisieren Menschenrechtler und Kommentatoren das Dekret. Besonders scharf ist Pravit Rojanaphruk in der Zeitung «Nation»: Wie eine Pille bei Durchfall sei das Kriegsrecht im politischen Machtkampf. «Der faule Kot bleibt im System», ätzt er.

Im Volk ist die Stimmung anders. Sowohl Anhänger als auch Kritiker der Regierung sind sogar froh über die Intervention.

«Kriegsrecht ist eine gute Sache, dann hört (Protestanführer) Suthep endlich auf mit seinen Protestmärschen und dem Schikanieren der Regierung», meint Samnieng Saekhot. Der 66-jährige hat seine Reisfelder in der Provinz vermietet und lebt jetzt in einem Bangkoker Vorort. Er ist Regierungsanhänger. Die haben Massendemonstrationen angedroht, sollte die Regierung abgesetzt werden. «Wenn die Armee nicht neutral bleibt, werden wir aufbegehren, dann kann es zum Bürgerkrieg kommen», sagt er.

«Ich fühle mich sicherer, seit ich weiß, dass die Armee das Sagen hat», meint Nion Decharatpinit. Sie arbeitet an einer europäischen Botschaft, ist wohlhabend und steht auf Seiten der Regierungsgegner.

Seit die Armee 2006 gegen den in gehobenen Kreisen verhassten Thaksin Shinawatra putschte, haben Soldaten bei der Mittelschicht ein Stein im Brett. «Seit dem Putsch, seit die Armee unser Verbündeter gegen Thaksin wurde, hat sich meine Einstellung geändert. Ausländer verstehen das nicht», sagt sie.

«Die Leute begrüßen das Militär, weil es sich um das Land kümmert», sagt Lian Sunsorn (55). Sie betreibt einen kleinen Gemischtwarenladen in Bangkok. «Ich hoffe, dass sie zwischen den beiden Seiten vermitteln können, ansonsten kommen die Leute wohl nur zu Sinnen, wenn es mehr Blutvergießen wird.»

«Ich stehe hinter der Armee, sie ist immer auf Seiten des Volkes», sagt der arbeitslose Intira Mateekusontan (38). «Überhaupt: Ich beschwere mich nicht, wenigstens war der Verkehr heute nicht ganz so schlimm wie sonst», fügt er hinzu.

«Mich interessiert das alles nicht, so lange es mein Geschäft nicht beeinträchtigt», sagt Jakrapong Wattanachai. Der 53-jährige betreibt ein kleines Restaurant in der Innenstadt, nicht weit von einer Kreuzung entfernt, die die Regierungsgegner lange besetzt hielten. «An manchen Demo-Tagen hatte ich nur halb so viele Gäste, aber im Großen und Ganzen läuft es okay», sagt er.

Kamolwan Panyasevanamit ist 20 und studiert an der Chulalongkorn-Universität. Sie hat sich am ersten Abend nach Verhängung des Kriegsrechts trotzdem mit Freunden in einer Bar getroffen. «Eigentlich hat sich kaum etwas geändert. «Vielleicht sind die Leute etwas panischer. Ich halte mich von den Brennpunkten in der Stadt einfach fern.»

Von STIN