(Mark Teufel, 07.10.2011)              Die Ängste unter Thailands Demokratieaktivisten werden größer, dass Thaksin Shinawatra seinen Eintritt für Gerechtigkeit und Gleichstellung der Prai aufgegeben haben könnte, und dass er versuchen könnte, den politischen Konflikt mit anderen Gruppen der Ammart in Thailand zu  “privatisieren”,  nachdem er den Konflikt in den letzten Jahren so erfolgreich  „sozialisiert“  hatte. 

( Siehe Artikelserie „L’état, ce n’est plus moi“ ). Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Partei, die ursprünglich zur Verteidigung der Interessen einer Mehrheit von Menschen angetreten war, benutzt wurde, um gegen die Erwartungen der eigenen Wähler vorzugehen.

Die Schwedische Sozialdemokratische Partei war 1994 zurück an die Regierungsmacht gekommen, aber sie stand unter hohem Druck durch unkontrollierte Devisenspekulationen und andere Effekte der Globalisierung. Die neue Regierung musste die Währung stabilisieren und auf Drohungen aus der Bevölkerungsgruppe mit höheren Einkommen, reduzierte Sie den Wohlfahrtsstaat und privatisierte den öffentlichen Dienstleistungssektor und Vermögenswerte. Als Ergebnis fiel ihr Wahlergebnis von 45,3% im Jahr 1994 auf 36,4% in der folgenden Wahl von 1998. Im Jahr 2010 sank der Stimmenanteil sogar auf 30%.

Oder man schaue sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands an. Unter dem Einfluss des scheinbar nicht mehr zu kontrollierenden und unaufhaltsamen Neoliberalismus und der Globalisierung, erklärte der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder am 14. März 2003 seine  „Agenda 2010“,  die ernsthafte Einschnitte in den deutschen Sozialstaat vorsah. Während die Interessen der großen multinationalen Unternehmen gewahrt wurden, Einkommensgruppen mit besonders hohen Einkommen geschont und Arbeitgeber allgemein bevorzugt wurden, musste der Teil der Bürger die Kosten und Nachteile tragen, die zu den untersten, unteren und mittleren Einkommensklassen des Landes gehörten, mit dem Ziel „die globale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu verbessern“. Wie in Schweden, protestierte die Bevölkerung halbherzig, weil es ja  „ihre“  Partei war, die den Abbau des Sozialstaates in Angriff genommen hatte, und das soziale Gleichgewicht zerstörte. Aber wie in Schweden, führte die nächste Wahl zu einem Desaster. Alt-Kanzler Schröder sah keinen anderen Weg aus der Situation, in die er durch Wahlniederlagen in immer mehr Bundesländern gekommen war, als vorgezogene Neuwahlen zu provozieren. Die SPD fiel von 38,5% im Jahr 2002 auf 34,2% in 2005 und verlor die Regierungsmacht. Im Jahr 2009, nachdem alle Elemente der Reform bei der Bevölkerung angekommen waren, erlitt die SPD die schlimmste Wahlniederlage in ihrer Geschichte und den niedrigsten Stimmenanteil, den sie jemals in landesweiten Wahlen erhalten hatte: 23%

Statt die Bürde von sozialem Ausgleich zu tragen, waren die großen kapitalistischen Mitspieler und Spekulanten in der Lage, immer größere Profite zu generieren und sie in immer riskantere wirtschaftliche Glücksspiele zu stecken. Glücksspiele, die von den klügsten Köpfen der Eliteuniversitäten der Welt ersonnen worden waren, nicht um die Probleme der Menschheit zu lösen, sondern um einige wenige Gierige und natürlich sich selbst, noch reicher zu machen. Derweil wurden die scharfen Einschnitte in die Sozialausgaben durch Drohungen der Banken und des Kapitals erzwungen, die verhinderten, einen Anteil der Kosten übernehmen zu müssen. Länder, die keine Einschnitte in die sozialen Errungenschaften machen wollten, sahen sich einer immer höheren Verschuldung gegenüber, die im Lauf der Jahre ein Vielfaches der Schulden an Zinsen für die Banken generierten.

Als die Blase der neoliberalen Euphorie um 2008 herum zerplatzte, konnte der Beweis erkannt werden, dass der Neo-Liberalismus nur ein System ist, das es einigen wenigen Gierigen erlaubt, noch reicher zu werden, und zwar auf dem Rücken der arbeitenden Menschen mit niedrigen oder mittlerem Einkommen. Die internationale Finanzkrise zwang die meisten Regierungen der Welt riesige Schulden aufzunehmen, um Banken und Unternehmen zu retten, die jahrzehntelang unermessliche Gewinne geschöpft hatten. Schulden, die wieder von normalen Arbeitern und Angestellten bezahlt werden müssen, ohne dass die Inhaber der Banken oder Unternehmen ihre Aussicht verloren hätten, die Gewinne der Vergangenheit, oder die der Zukunft mit ihren Rettern teilen zu müssen. Beide Länder, Schweden und insbesondere Deutschland, kamen sehr gut aus der Krise heraus. Aus makroökonomischer Sicht, hatten sich die Schritte, die von beiden sozialdemokratischen Regierungen eingeleitet worden waren, als wirksam erwiesen, das Land für schwierige Zeiten fit zu machen. Aber mikro-ökonomisch fühlen die Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen, dass es ihnen schlechter geht als vor der Krise und dass eine Umverteilung der Einkommen und Vermögen von Vielen auf Wenige begonnen hat. Und doch müssen Sie wieder einmal durch ihre Steuern und gekürzte Staatsleistungen, sicherstellen, dass Banken und Unternehmen, die Gewinner der Globalisierung, ihre Gewinne weiter behalten können.

Was bedeutet all das für Thailand und die Pheu-Thai ?   Nun die Pheu-Thai, ähnlich wie die Sozialdemokraten in Schweden und Deutschland, waren von den Menschen gewählt worden, weil diese erwartet hatten, dass diese Partei ihre Interessen vertreten würden. Ein großer Wählerblock für die Phe-Thai war die Rothemden-Bewegung. Die Hoffnungen dieser Menschen waren hoch gesteckt: Mehr soziale Absicherung, höhere Einkommen, gleiche Chancen für alle und echte Justizgerechtigkeit. Ein weiterer Block war der Teil der desillusionierten Mittelklasse, der in den letzten fünf Jahren gelernt hatte, dass sie von der Ammart belogen worden waren, und diese wollten dem Militär und Teilen der Palast-Protagonisten einen Schlag ins Gesicht versetzen. Dann war da noch die kleine, aber aus Sicht der Meinungsmultiplikation wichtige Gruppe, von jungen Akademikern, die ein Signal für Reformen setzen wollten.

Wenn man nun heute mit Parlamentsabgeordneten der Pheu-Thai vertraulich spricht, dann sagen sie einem :   „Wir brauchen Zeit, wir können die Reformen nicht so schnell durchsetzen, wir müssen hässliche Dinge tun, der Druck vom Militär und der Ammart generell ist einfach zu hoch.Wenn wir jetzt etwas verändern, werden sie ihren Plan zum Sturz der Regierung vorantreiben. Wenn wir erst einmal ruhig bleiben und vorsichtig agieren, wird ihr Plan nicht funktionieren“. Dies klingt sehr ähnlich zu den Argumenten der Sozialdemokraten in Deutschland und Schweden: „Wir müssen hässliche Dinge tun, um uns für Kapitalisten und Arbeitgeber attraktiv zu machen, sonst werden sie das Land verlassen“.

Für das Militär, oder besser gesagt die Ammart, hätte es keinen besseren Weg aus dem Dilemma, geben können, das aus der fehlenden Legitimation der Regierung unter Führung der Democrat Party entstanden ist, als eine Pheu-Thai Regierung. Vielleicht hat man sich vorgestellt, dass es einfacher wäre, die Mehrheit von 500 Abgeordneten zu kontrollieren, zusammen mit den sowieso vom Militär ernannten Senatoren, die die Hälfte des Oberhauses stellen, als 65 Millionen Menschen, von denen ein großer Teil immer verärgerter über die Situation ist. Die Erwartung war vielleicht, dass man in der Lage sein würde, mit einem Zuckerbrot für Thaksin und der Peitsche für dissidente Abgeordnete, zu verhindern, dass nennenswerte Reformen stattfinden. Wodurch die Unterstützung der Wähler für die Pheu-Thai erodieren wird, und der Weg für ein Wahlresultat frei wäre, das wesentlich weniger vorteilhaft für die Pheu-Thai wäre, was wiederum in schwachen Regierungen endet, die vom Militär und der Bürokratie abhängig sind.

Die Pheu-Thai ist in einer Zwickmühle. Wenn sie sich weigert, reale Reformen durchzuführen, wird sie die Pfeiler ihrer Wählerschaft bei der nächsten Wahl verlieren. Und damit ihre starke Position in einer neuen Regierung. Wenn sie Reformen, wie z.B. eine demokratische Verfassung, forciert, wird die Ammart in der Lage sein, den Teil des Mittelstandes zu aktivieren, der konservativ und voller Angst ist, seine Privilegien zu verlieren. Und indem man Thaksin als Werkzeug im Kampf gegen Reformen benutzt, wird man immer behaupten, dass diese oder jene Reform nur zum Vorteil von Thaksin wäre, wodurch jede sachliche Begründung überflüssig wird. Die Regierung hängt von den Beamten, den Banken und dem Big Business ab, will sie auch nur Teile der Einkommensverbesserungen, die sie versprochen hat, realisieren. Die Geschäftswelt war niemals an demokratischen Reformen interessiert gewesen. Der Monarchist und Mitgestalter der Verfassung von 1997, Bowonsak, sagte 1998 :  „Die Geschäftswelt  [ war ]  an der Verfassung nicht interessiert, sie wusste nichts davon, sie bezahlte ganz einfach Politiker…“  Er hätte auch anfügen können  „oder kooperierte oder zahlte  [ Miete und Zinsen ]  an das Crown Property Bureau und seine Zweige“.

Kelly Connors schrieb in „Democracy and National Identity in Thailand” :  “Insbesondere wenn autoritäre Regierungen herrschten, erhoben sie die Demokratie auf ein weitaus idealistischeres Niveau, als es derzeit in der Welt existiert. Teilweise dient ihnen dieses übertriebene Idealbild dazu, Entwicklungen zu verzögern und als Puffer, um bürokratische und militärische Führer vor Forderungen anderer Gruppen der Gesellschaft abzuschirmen, die auch einen Zugang zur staatlichen Macht suchen.“   Vielleicht ist das, was wir jetzt sehen, die notwendig gewordene nächste Stufe im Versuch, einen echten demokratischen Entwicklungsprozess zu verzögern ?

Versucht die Ammart weiter, nun, nachdem die Menschen Thailands verstanden haben, was Connors auch schon schrieb, echte Demokratie zu verzögern, diesmal indem sie das Zuckerbrot für Thaksin und die Peitsche für Dissidenten einsetzt ?

Von gateot