Nach der Wahl deutet vieles darauf hin, dass die Justiz die Regierung absetzen wird. Eine TV-Kochshow sorgte 2008 für den Sturz des Premiers, diesmal soll es nicht ganz so plump werden
Eine Lachs-Kokosmilch-Suppe hier, ein Thaicurry dort, und als kulinarischer Höhepunkt ein gebratenes Schwein in Cola-Sauce – fertig war das Gericht, das Samak Sundaravej das Amt des thailändischen Regierungschefs kostete. Schließlich, so hieß es, habe er mit seinen Auftritten in einer TV-Kochsendung gegen die Verfassung verstoßen, die Regierungsmitgliedern Einkünfte aus anderen Tätigkeiten verbietet. Dieser höchst umstrittene Urteilsspruch des Verfassungsgerichts im Jahr 2008 ist das wohl bekannteste Beispiel dafür, wie sich die vermeintlich unabhängige thailändische Justiz in politische Streitigkeiten einmischt, um vor allem Politiker aus dem Lager des Ex-Premiers Thaksin Shinawatra aus dem Amt zu jagen.
Akut gefährdet ist nun Yingluck Shinawatra, Thaksins Schwester und amtierende Ministerpräsidentin. Sie ist nicht wie Samak in einer Kochshow aufgetreten, dafür wollte die 46-Jährige im letzten Jahr ein umstrittenes Amnestiegesetz durchs Parlament peitschen. Seitdem fordert eine Protestbewegung ihren Rücktritt. Mit Neuwahlen versuchte Yingluck einen Weg aus der Krise finden, doch auch nach dem Urnengang am Sonntag befindet sich das Land in der politischen Schwebe.
Ein Wahlergebnis lässt auf sich warten, weil die Demonstranten – aus Mangel an reellen Siegchancen – die Stimmabgabe in 127 der 375 Wahlbezirke verhinderten. Das neue Parlament kann aber erst zusammentreten, wenn 475 der 500 Abgeordneten gewählt sind. Bis Nachwahlen durchgeführt werden, können Monate vergehen. In dieser Zeit erwarten Experten einen juristischen Putsch in der Tradition von 2008. Schließlich werden die wichtigsten Institutionen von jenen Eliten dominiert, die auch für die Proteste verantwortlich sind. Sie stoßen sich daran, dass eine hauptsächlich von Armen gewählte Regierung das Sagen hat und sukzessive ihre Privilegien abbauen will.
Gegen einen Militärputsch, wie es ihn in Thailand bereits 18-mal und zuletzt 2006 direkt gegen Thaksin gab, spricht, dass die internationalen Reaktionen drastisch sein würden. Daher hält auch Marc Saxer einen juristischen Putsch für das wahrscheinlichste Szenario. „Die Gerichte und andere Behörden werden sich die Bälle zuspielen und die Regierung schrittweise kriminalisieren“ , sagt der Leiter des Thailand-Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung dem Standard.
Ermittlungen gegen Regierung
Anzeichen für einen Putsch ohne Panzer gibt es bereits genug, und sie lassen erahnen, dass man diesmal etwas durchdachter vorgehen will als 2008, als der Premier wegen besagter Lappalie gestürzt wurde. Die Antikorruptionsbehörde ermittelt wegen eines geplanten milliardenschweren Infrastrukturprogramms und Reissubventionen gegen die Regierung. Der Thaksin-Clan soll sich in beiden Fällen bereichert haben, sagen Regierungsgegner.
Auch das Verfassungsgericht nimmt Yingluck ins Visier und beschäftigt sich mit mehreren möglichen Verfassungsbrüchen. Dazu zählt unter anderem die Initiative, den Senat künftig komplett vom Volk wählen zu lassen. Bisher werden 74 der 150 Mitglieder des parlamentarischen Oberhauses von einer elitär besetzten Kommission ernannt. Zudem beschäftigt sich das Gericht damit, dass die Regierung internationale Verträge ohne Zustimmung des Parlaments abgeschlossen habe. „Das hat teilweise durchaus seine Berechtigung, allerdings ist dabei die politische Motivation zu hinterfragen“, sagt Saxer zu den Vorwürfen.
Sollte eine dieser Ermittlungen tatsächlich zu einer Verurteilung führen, würde das zu einer Auflösung der Regierungspartei führen, zu einem fünfjährigen Politikverbot für die betroffenen Personen und der Einsetzung einer Übergangsregierung. Das Ziel der Protestbewegung wäre wie 2008 erreicht. Allerdings wäre dann auch wie vor sechs Jahren zu befürchten, dass die zum Teil militanten Thaksin-Anhänger, die Rothemden, auf die Straßen gehen.