Zehntausende Demonstranten versuchen, Thailands Regierung zu stürzen. Sie stürmen Ministerien in der Hauptstadt Bangkok. An ihrer Spitze steht der ehemalige Vizepremier Suthep. Jetzt droht ihm die Festnahme – und damit eine Eskalation.
Es war eine kurze Nacht für den Mann, der Thailands Regierung stürzen möchte. Um kurz nach sieben Uhr morgens trifft Suthep Thaugsuban, der Anführer der Protestbewegung, auf dem Gelände des Finanzministeriums in Bangkok ein. Mit Hunderten Demonstranten hat er den Gebäudekomplex eingenommen. Wie ein Volkstribun marschiert er am Dienstagmorgen über das Areal. Seine Anhänger umringen ihn, schwenken thailändische Landesflaggen und blasen in ihre Trillerpfeifen. Suthep lächelt in die Handykameras.
Es ist Tag zwei der Protestoffensive in der thailändischen Hauptstadt. Nach der Besetzung mehrerer Regierungsgebäude am Montag fühlen sich die Oppositionsanhänger im Aufwind und wollen nun weitere Teile der Regierung lahmlegen. Doch einige Stunden später reagieren die Machthaber: Ein Strafgericht erlässt einen Haftbefehl gegen Suthep. Er solle
aufgeben, andersfalls werde er verhaftet.
Doch damit ist nicht zu rechnen. Denn das Ziel von Suthep und seinen Anhängern ist klar: Sie wollen die Regierung von PremierministerinYingluck Shinawatra mit aller Macht zu Fall bringen.
Doch wie das geschehen soll, weiß niemand so recht. Die Bewegung wartet auf die Anweisungen ihres Anführers. Im Halbkreis scharen sich am Dienstag seine Anhänger und Fernsehteams um den Oppositionspolitiker, der sich nach seiner Tour über das Ministeriumsgelände auf einem blauen Plastikstuhl im Innenhof niederlässt. Doch statt zu seinen Mitstreitern zu sprechen, trinkt Suthep Kaffee und liest Zeitung. Das Titelbild zeigt ihn bei der Stürmung der Behörde am Vortag.
Als er die Lektüre beendet hat, winkt Suthep den Reporter von SPIEGEL ONLINE zum Gespräch zu sich. Er will bei der internationalen Presse einen guten Eindruck hinterlassen und sich als Reformer positionieren. „Wir müssen das politische System in Thailand grundlegend ändern und die Korruption mit aller Härte bekämpfen“, sagt er. „Die aktuelle Regierung missachtet den Rechtsstaat, betreibt Populismus und verfolgt eine desaströse Haushaltspolitik. Wir können das nicht länger zulassen.“
Volksfeststimmung bei den Ministeriumsbesetzern
Der 64-Jährige war noch bis vor kurzem Abgeordneter der Opposition, legte sein Mandat aber nieder, um die Proteste der Regierungsgegner anzuführen. Mit seinem Eindringen in die Machtzentren der thailändischen Politik sorgt er für die schwerste politische Auseinandersetzung in dem südostasiatischen Land seit den blutigen Unruhen im Jahr 2010. Damals waren Proteste von Anhängern der heutigen Regierung von den Streitkräften gewaltsam niedergeschlagen worden. Rund 90 Menschen wurden dabei getötet. Suthep war zu dieser Zeit Vizepremier. Ihm wird vorgeworfen, den Einsatz der Soldaten angeordnet zu haben.
Bei den aktuellen Protesten verspricht er Gewaltfreiheit. „Wir sind absolut friedlich“, sagt er. „Niemand von uns hat eine Waffe, nicht einmal meine Leibwächter.“ Von Aggression ist unter den Ministeriumsbesetzern tatsächlich nichts zu spüren. Rund um die Behörde herrscht Volksfeststimmung. An mehreren Ständen wird kostenloses Essen an die Demonstranten ausgeteilt. Auf einer improvisierten Bühne musiziert ein Klarinettenspieler. Händler verkaufen Trillerpfeifen und Stirnbänder in den Nationalflaggen – die passenden Fanartikel zum Protest.
Deutlich hitziger sind die Szenen, die sich seit Dienstagmittag Ortszeit vor weiteren Regierungsgebäuden abspielen. Hunderte Demonstranten haben das Ministerium umzingelt, sie fordern die Beamten lautstark dazu auf, ihre Arbeit niederzulegen. Auch vor den Ministerien für Tourismus, Landwirtschaft und Transport haben sich Oppositionsanhänger versammelt. Sie drohen damit, die Strom- und Wasserversorgung zu unterbrechen.
Währenddessen muss sich Regierungschefin Yingluck im Parlament einer zweitägigen Debatte zu einem Misstrauensvotum stellen. Der Druck auf sie ist in den vergangenen Wochen massiv gewachsen. Auslöser der Protestwelle war der Versuch der Regierungspartei, ein umstrittenes Amnestiegesetz durchzusetzen. Dieses hätte Yinglucks Bruder, Ex-Premier Thaksin Shinawatra, die Rückkehr aus dem Exil ermöglichen sollen. Er lebt derzeit im Ausland, um einer Haftstrafe wegen Korruption während seiner Amtszeit zu entgehen.
„Thaksin-System endgültig beseitigen“
Unter den Oppositionsanhängern ist Thaksin verhasst. Allein die Aussicht darauf, dass er wieder ins Land kommen könnte, hat ausgereicht, um Hunderttausende zu mobilisieren. Das Amnestiegesetz ist mittlerweile zwar vom Tisch. Die Opposition versucht aber die Chance zu nutzen, um die Regierung komplett zu entmachten, die aus ihrer Sicht im Hintergrund von Thaksin gelenkt wird. „Es ist die Zeit gekommen, das Thaksin-System endgültig zu beseitigen“, sagt Protestanführer Suthep.
Welches System ihm stattdessen vorschwebt, bleibt im Ungewissen. Noch am Wochenende sprach er sich laut Medienberichten für eine „Monarchie in ihrer wahren Form“ aus. Jetzt sagt er nur: „Wir werden das Wahlrecht verändern müssen.“ Mit weiteren Demonstrationen will er aufs Tempo drücken.
„Ich möchte die Sache so schnell wie möglich zu Ende bringen“, sagt er. „Die Leute müssen schließlich bald wieder zur Arbeit gehen.“
Moin an die Runde,
wie ich schon mehrmals hier ankündigte, es wird nicht langweilig, politisch gesehen!
Wenn ich so richtig gezählt habe, sind wir bereits in der dritten Demo-Woche und, man staune, Bangkok hat noch nicht Feuer gefangen. Auch auf den Strassen brennen noch keine Autoreifen. Außerdem ist noch nicht davon berichtet worden, dass eben diese Brandbeschleuniger (wir erinnern uns, selbige wurden gerne von den roten Pyromanen in 2010 benutzt) von den momentanen Regierungsgegnern geordert und mit Pikups nach Bangkok gekarrt wurden.
Das, mit der verfügten Verhaftung des Demo-Führers Suthep, könnte voll in die Hose gehen. Sollte er bei einem von ihm angeführten Protestmarsch von Thaksins Polizei festgenommen werden, so sehe ich es, wird es bestimmt nicht friedlich bleiben. Durch solche „vertrauensbildenden Maßnahmen“ seitens der Regierung könnte leicht der Funke Richtung bereits geöffnetem Pulverfass überspringen.
Wir alle sollten diese Möglichkeit wirklich nicht herbeirufen. Bangkok brennt zu leicht und dabei würden auch noch hoher Kollateralschaden angerichtet.
Kurz möchte ich noch auf die angeblichen Prügel an dem deutschen Reporters kommen. Auch, wenn man die Wut der Demonstranten verstehen sollte, richtig war es aber auf keinen Fall. Die Protestschreier aus der alten ST.DE Garde, die hier unter anderem Namen sich äußern, sollten, bevor sie ihr Süppchen daraus zum Köcheln bringen, in sich gehen und die Prügel der „nun wirklich friedlichen UDD-Leutchen“ an den Fahrer des Dienstwagens des Ex-PM Abhisit (aus 2010) Revue passieren lassen. Da ist nicht die Sonnenbrille und das Kameragehäuse defekt gegangen, eine mehrer Millionen Baht teure Staatskarosse ging zu Bruch und ein teurer Krankenhausaufenthalt des misshandelten Fahrers steht dem „bösen“ Ereignis von gestern gegenüber. Hinzu darf ich noch vermelden, dass damals die hier so helfend eingreifende Polizei bei dem „so friedlichen Vorfall“ gegen den Dienstwagenfahrers genüsslich zuschaute und nicht, wie es normal wäre, dem hilflosen Staatsdiener zu Hilfe kam.
Die Philippinen haben ihren Clan-Führer Markus damals außer Landes gejagt, vielleicht schaffen es die Thais auch, sich einem solchen Nimmersatt-Clan zu entledigen.
Es bleibt interessant!